Wintertagung 2023 - Agrarpolitik II: CO2 aus der Atmosphäre entziehen und speichern

Ein Artikel von aiz | 19.01.2023 - 09:57
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Ökosoziales Forum/Holzer © Podiumsdiskussion beim Eröffnungstag der Wintertagung 2023 (v.l.n.r.): Moderator und Generalsekretär des Ökosozialen Forums, Hans Mayrhofer (von hinten), Stefan Könsgen, Forschungsprojektleiter in der BMW Gruppe, Betriebsleiter Franz Winkelhofer (mit Mikro), AGRANA-Vorstandsvorsitzender Markus Mühleisen und Moderatorin Verena Scherfranz

Im Rahmen der Wintertagung 2023 des Ökosozialen Forums Österreich & Europa diskutierten die Expertinnen und Experten am Agrarpolitiktag, vergangenen Dienstag, im zweiten Block zum Thema „Kreislaufwirtschaft - Innovationen aus der Praxis und Rahmenbedingungen“ über die Ziele der EU, bis 2050 der erste klimaneutrale Wirtschaftsraum zu werden, sowie über Projekte, in denen das Konzept der Kreislaufwirtschaft umgesetzt wird. Bei den politischen Konzepten steht die Idee im Vordergrund, Kohlenstoff in Böden, Wäldern oder Produkten aus Holz zu speichern, den Verbrauch von Primärrohstoffen durch geschlossene Kreisläufe zu reduzieren sowie die Leistungen der Betriebe abzugelten.
 
Holzleitner: Neue Technologien kompetitiv und attraktiv machen
 
Christian Holzleitner, Leiter des Referats für Landnutzung und Kohlenstoffabbau in der Generaldirektion Klimapolitik der EU-Kommission, betonte, dass Europa CO2 aus der Atmosphäre entziehen und in Böden, Wäldern, Produkten aus Holz oder im Hausbau speichern muss. Für die landwirtschaftlichen Betriebe könnte dadurch zusätzliches Einkommen ermöglicht werden. Die Mitgliedsstaaten und die Nahrungsmittelindustrie wollen für diese Transformation und klimapositive Wertschöpfungsketten finanzielle Mittel zur Verfügung stellen. Im Bereich der Biomasse nannte er das Biomasse-Fernwärmewerk in Stockholm, das Vorbild für die Wärmeproduktion oder Papierindustrie sein kann. Dabei wird CO2 aus den Abgasen gefiltert und in leeren Gasfeldern der Nordsee geologisch eingespeichert. An der Finanzierung und Quantifizierung der Einspeicherung wird aktuell gearbeitet, so Holzleitner.
 
Holzer: Müssen in Österreich mehr Kreisläufe schaffen
Christian Holzer, Leiter der Sektion Umwelt und Kreislaufwirtschaft im Klimaschutz-Ministerium, kritisiert den hohen Materialfußabdruck pro Einwohner in Österreich von 33 t: „Die Bundesregierung hat sich zur Umgestaltung der Wirtschaft und Gesellschaft in eine klimaneutrale und nachhaltige Kreislaufwirtschaft bekannt. Zudem braucht es Maßnahmen, um den Rohstoffeinsatz bis 2030 um 25% zu reduzieren und die Zirkularitätsrate von 9 auf 18% zu erhöhen. Wir müssen mit einer Kreislaufwirtschaft den Einsatz von Primärrohstoffen senken und Recyclingmaterial als Beitrag zur Versorgungssicherheit ausschöpfen. Damit die Transformation gelingt, braucht es eine Evaluierung und Anpassung der regulatorischen Rahmenbedingungen.“
 
Moosbrugger kritisiert EU-Agrarpolitik: Alle zahlen dieselbe Zeche
 
Der Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich, Josef Moosbrugger, kritisierte die wenig nachvollziehbaren Entscheidungen der EU-Kommission. Er forderte eine differenzierte Betrachtung und dass die EU-Kommission den Finger in die Wunden jener Länder legt, in denen es Fehlentwicklungen gibt, anstatt „alle Bäuerinnen und Bauern dieselbe Zeche zahlen zu lassen“. Als wichtigste Frage für die Zukunft der Bäuerinnen und Bauern sieht er die finanzielle Abgeltung der diversen und vielfältigen Leistungen. „Aktuell wird eine erbrachte Leistung abgegolten, aber es werden vorher keine Mittel vergeben. Die Bäuerinnen und Bauern nehmen also Einbußen in Kauf, um die Nachhaltigkeit zu stärken.“
 
Blick in die Praxis: Natur ist bestes Vorbild
 
Anschließend stellten drei Experten Kreislauf-Konzepte aus ihren Bereichen vor. Den Anfang machte Franz Winkelhofer, der auf seinem landwirtschaftlichen Betrieb auf immergrüne Kreisläufe setzt: „Wir haben über das gesamte Jahr lebende Wurzeln im Boden, um keinen Tag Photosynthese zu verlieren. In der Rindermast füttern wir u.a. mit Mais und Restschroten, den gewonnenen Dung setzen wir am Feld ein. Ein großes Problem sind die fehlenden Reststoffe des Menschen, wodurch der Nährstoffkreislauf nicht gänzlich geschlossen ist. Zudem verzichtet der Betrieb auf Bodenbearbeitung und setzt auf Hecken, Bäume und kombinierte Nutzungssysteme, denn die Bäuerinnen und Bauern ernähren nicht nur Menschen und Nutztiere, sondern alle Lebewesen im Boden und auf den Feldern.“
 
Stefan Könsgen, Forschungsprojektleiter im Bereich Circular Economy für Interior in der BMW-Gruppe, führte am Beispiel des Cockpits Ideen für Kreisläufe in der Autowirtschaft aus. „Stand bis jetzt Ästhetik im Fokus, so sind es künftig Recycling und Demontage. Holz ist ein wunderbarer Werkstoff und gibt uns die Möglichkeit, alle Kunststoffe zu ersetzen sowie systemisch zu arbeiten. Mit den Weizer Werken haben wir etwa Holzfurniere entwickelt. Birkenholz wird unter Druck mit Klebeschichten aus biobasiertem Klebestoff verpresst, bei dem Weinbergschnecken Vorbild waren. Dieses System absorbiert auch Energie und Geräusche. Damit wird das Material wieder nutzbar und das System kann CO2 speichern.“
 
Markus Mühleisen, Vorstandsvorsitzender der Agrana Beteiligungs-AG, nannte Grundsätze des Unternehmens: „Wir verdanken der Natur die Existenz unseres Unternehmens und es ist unsere Verantwortung, im Einklang mit der Natur zu arbeiten und Verluste zu vermeiden. Durch Kreislaufwirtschaft minimieren wir den Rohstoffeinsatz, in dem wir möglichst 100% verwerten.“ Er stellte als Beispiel die Bioraffinerie in Pischelsdorf vor. „Wir verarbeiten zirka 1 Mio. t Getreide pro Jahr, aus dem wir Stärke für die Brot- und Backwaren-, Papier- oder Wellpappenindustrie, gentechnikfreies Futtermittel oder Bioethanol produzieren. Dazu setzen wir auf starke Partnerschaften, um Kreisläufe zu schließen“, so Mühleisen.