Ein Jahr nach Gründung der Innovation Farm gab Anlass, mit Experten, Politikern und Praktikern über den Nutzen und die Herausforderungen der Digitalisierung in der heimischen Landwirtschaft zu diskutieren. Ein hochkarätig besetztes Podium mit Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger, Landwirtschaftskammer (LK) Österreich-Präsident Josef Moosbrugger, LH-Stellvertreter Stephan Pernkopf, Agrar-Landesrat Johann Seitinger, Landwirtin Franziska Fröschl und Journalist Timo Küntzle war sich einig, dass digitale Technologien in der Landwirtschaft praktikabel, effizient und leistbar sein müssen. Seit Initiierung der Innovation Farm wurden über 30 Projekte auf den Weg gebracht.
Köstinger stellte die drei maßgeblichen Ziele Arbeitserleichterung, Nachhaltigkeit und Tierwohl der Innovation Farm für die landwirtschaftlichen Betriebe in den Mittelpunkt. „Mit der Innovation Farm werden Expertisen gebündelt und somit die Möglichkeiten der Digitalisierung sicht- und greifbar gemacht. Digitalisierung soll künftig für jeden landwirtschaftlichen Betrieb jeder Größe leistbar zur Verfügung stehen“, betonte Köstinger. Die Arbeitserleichterung stehe an oberster Stelle. „Hier wird die Robotik die Zukunft der Landwirtschaft maßgeblich prägen, die nicht nur Großbetrieben zugutekommt, sondern den Nagel auf den Kopf trifft, wenn es um die Kleinstrukturiertheit geht. Es kann davon sowohl der Bergbauernbetrieb als auch ein intensiver Ackerbauer profitieren“, erklärte die Ministerin. Die Präzisionslandwirtschaft ermögliche etwa durch gezielten Pflanzenschutz- und Düngereinsatz, die Nachhaltigkeit und letztlich auch die betriebswirtschaftlichen Ergebnisse des Hof es zu steigern. Auch für eine artgerechte Tierhaltung halte die Digitalisierung künftig verstärkt auf den heimischen landwirtschaftlichen Betrieben Einzug, ist Köstinger überzeugt. Ein Digitalisierungsschwerpunkt in der Investitionsförderung sei angedacht.
„Die Kosten-Nutzen-Rechnung muss für die Bäuerinnen und Bauern passen“, stellte Moosbrugger klar. „Die Fachberater der Landwirtschaftskammern behalten den Überblick über die Relevanz der digitalen Systeme. Denn wir wollen die bäuerlichen Betriebe vor teuren und unsinnigen Investitionen bewahren. Für die Landwirtschaftskammer steht als neutraler Partner der Innovation Farm nicht das Verkaufsinteresse im Vordergrund, sondern die Experteneinschätzungen für praktikable Technologien. Es ist wichtig, dass die Bauern am Puls der Zeit bleiben und fundierte Informationen erhalten“, so Moosbrugger. Die Landwirtschaft sei nicht verstaubt, sondern modern und innovativ, wunderte sich der LK-Präsident, dass von den Bäuerinnen und Bauern teilweise erwartet wird, dass sie betrieblich stehen bleiben. „Die Bereitschaft der Jugend, den Hof weiterzuführen, wird nur vorhanden sein, wenn sich der Betrieb modern weiterentwickelt. Die heimische Landwirtschaft kann auch wettbewerbsmäßig in Europa und global nicht mithalten, wenn wir nicht mit der Zeit gehen - und hier zählt die Digitalisierung dazu“, unterstrich Moosbrugger. Ressourcenschonende Effizienzsteigerung bei gleichzeitiger Kostenersparnis sei das Ziel.
Potenzial in der Erntetechnik
„Der Konsument ist immer analog“, plädierte Pernkopf, innovative technische Chancen zu nutzen und gleichzeitig die Qualität der bäuerlichen Produkte zu erhalten beziehungsweise weiter zu steigern. Vor allem im Bereich der digitalen Erntetechnik sieht der niederösterreichische LH-Stellvertreter Potenzial. „Es wird immer schwieriger, Erntehelfer zu finden. Hier können im Ackerbau Lenksysteme und die Robotik einen wesentlichen Beitrag leisten. Robotik-Systeme werden ‚niedere‘ Arbeit ersetzen. Das heißt, Digitalisierung bietet auch Chancen für den heimischen Arbeitsmarkt. Die landwirtschaftlichen Betriebsführer werden mehr höherwertige Jobs anbieten können, und auch im Bereich der Forschung und Entwicklung ist mehr Personal gefragt“, so Pernkopf.
„Die Landwirtschaft kann sich der Digitalisierung nicht verschließen“, weiß Fröschl nach der Anschaffung eines Melkroboters, wovon sie spricht. Die Milchbäuerin aus dem Mühlviertel berichtete von gesteigertem Tierwohl sowie einer höheren Arbeitsqualität und einer Arbeitserleiterung für den Menschen. „Die Kühe lieben es, autark zu fressen und gemolken zu werden, wann sie wollen“, so Fröschl. Außerdem befürwortete die Funktionärin im Maschinenring-Bundesvorstand eine überbetriebliche Nutzung moderner Technik in Bereichen, wo es möglich ist.
Seitinger sieht in der Tierhaltung ein breites Anwendungsfeld der Digitalisierung. „Es müssen für die Landwirte praktikable, leistbare Systeme zur Verfügung stehen. Die digitalen Technologien reichen von der Futterwerbung über die Fütterung mit Pansen-Sensoren und Futtertechnik bis hin zur Tiergesundheit sowie Genetik“, veranschaulichte Seitinger. Letztlich gehe es aber darum, die Kräfte zwischen allen Akteuren in der landwirtschaftlichen Digitalisierung von Technikern, Politikern, Wirtschaftstreiben etc. zu bündeln und die neuen Technologien den Bauern schmackhaft zu machen, so der steirische Agrar-Landesrat.
Für Küntzle ist das stärkste Verkaufsargument, wenn etwas funktioniert und einen Nutzen bringt. „Das Wichtigste ist eine ehrliche, authentische Kommunikation über das Thema Digitalisierung auch in Richtung Konsumenten“, so der Journalist. Außerdem sei das Thema Datenschutz für manche Landwirte noch ein Hemmschuh für die Anwendung von digitalen Technologien. „Die Bauern wollen ihre Unternehmensdaten nicht teilen oder zumindest wissen, wer aller Zugriff darauf hat“, verdeutlichte Küntzle.