Herbizidresistenzen

Das Moos, das Glyphosat toleriert

Ein Artikel von Sam Caygill, Thomas Köcher, Liam Dolan vom Gregor-Mendel-Institut Wien | 12.11.2024 - 10:37
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Das Moos Marchantia polymorpha kann eine Behandlung mit Glyphosat-tolerieren. © Johannes Hloch /GMI

Zu verstehen, wie einige Pflanzen von Natur aus tolerant gegenüber Herbiziden sind, bietet einen wichtigen Ansatzpunkt, um das Problem der Herbizidresistenz in der Landwirtschaft in Angriff zu nehmen. Die Studie von Sam Caygill, Thomas Köcher und Liam Dolan wurde im Fachmagazin „PNAS“ publiziert.

Für die wachsende Weltbevölkerung eine ausreichende Menge an Nahrungsmitteln zu produzieren ist eine große Herausforderung. Um den Ertrag zu steigern, müssen Landwirte das Unkraut bekämpfen, das mit den Nutzpflanzen um Sonnenlicht, Nährstoffe und Platz konkurriert. Während Hobbygärtner es sich leisten können, in ihren Gärten Unkraut zu jäten, umzustechen oder zu hacken, greifen Landwirte in der Agrarwirtschaft oft zum Einsatz von Herbiziden. Die Landwirtschaft steht jedoch bei der Herbizidresistenz vor einem ähnlichen Dilemma wie die Medizin bei der Antibiotikaresistenz: Je häufiger ein Herbizid eingesetzt wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Unkraut dagegen resistent wird – und dann seine anfälligen Geschwister verdrängen kann.

Glyphosat ist ein solches weitverbreitetes und heftig diskutiertes Herbizid. Der übermäßige Einsatz hat in jüngster Zeit zum Auftreten von Glyphosat-resistentem Unkraut geführt, das in Teilen Europas, Nordamerikas und Australiens die Ernteerträge verringert.

Natürliche Glyphosat-Toleranz nachgewiesen

Nun haben Sam Caygill und Liam Dolan am GMI experimentell gezeigt, dass Bryophyten, eine Gruppe wenig erforschter Pflanzen, zu denen Lebermoose, Hornmoose und Moose gehören, Glyphosat tatsächlich tolerieren: Sie wachsen selbst dann, wenn sie dem Herbizid ausgesetzt sind. Glyphosat tötet die meisten vaskulären Pflanzen, indem es ein Enzym namens EPSP-Synthase hemmt, wodurch die Aminosäuresynthese und die Proteinproduktion gehemmt wird. Caygill, Doktorand an der Universität Oxford und Forscher am GMI, fand heraus, dass die Moose eine Alternative zu der EPSP-Synthase haben, das Enzym MurA. Sie können daher Aminosäuren bilden und auch weiterwachsen, obwohl sie Glyphosat ausgesetzt sind und die EPSP-Synthase gehemmt ist. Während MurA-Gene in allen Bryophyten vorhanden sind und alle getesteten Bryophyten Glyphosat-tolerant waren, kommt MurA in den Glyphosphat-empfindlichen Blütenpflanzen nicht vor.

Die Forschenden testeten dann experimentell, ob MurA eine Toleranz gegenüber Glyphosat auslösen kann. Je mehr MurA im Brunnenlebermoos (Marchantia polymorpha) synthetisiert wurde, desto toleranter waren die Pflanzen gegenüber Glyphosat. Umgekehrt waren M. polymorpha-Pflanzen, die gentechnisch so verändert worden waren, dass sie eine nicht funktionsfähige Version von MurA produzierten, weniger tolerant gegenüber Glyphosat als die Kontrollpflanzen.

Falls MurA für die Glyphosat-Toleranz also tatsächlich notwendig ist, fragten sich die Forschenden, könnte dann die Expression von MurA in Glyphosat-empfindlichen Pflanzen für Resistenz sorgen? Tatsächlich konnten die Forschenden zeigen, dass durch den Einbau von MurA in die Gefäßpflanze Acker-Schmalwand (Arabidopsis thaliana), die normalerweise kein MurA bildet, die Pflanze glyphosatresistent wird.

Neue Einsichten in die Biosynthese von Aminosäuren

Die Forschenden konnten mittels hochempfindlicher Massenspektrometrie nachweisen, dass sowohl MurA als auch die EPSP-Synthase die Bildung von EPSP katalysieren. Aus diesem Grund kann MurA die Aminosäureproduktion und Proteinsynthese in Bryophyten aufrechterhalten, auch wenn Glyphosat die EPSP-Synthase hemmt. Diese Entdeckung war unerwartet, da man bisher annahm, dass nur die EPSP-Synthase EPSP produziert.

„Es ist eine Sache, einen in der Natur vorkommenden Mechanismus zu beschreiben, der die Resistenz einiger Pflanzen gegenüber Glyphosat erklärt. Eine andere ist es, einen bisher unbekannten Vorgang in der Biosynthese von Aminosäuren zu entdecken“, sagt Liam Dolan, Senior Group Leader und stellvertretender wissenschaftlicher Direktor am GMI. Die unerwartete Entdeckung beweist, dass traditionell wenig untersuchte Organismen wie Lebermoose den Schlüssel zum Verständnis grundlegender Fragen der Biologie liefern können. Darüber hinaus könnte diese Entdeckung zu neuen Strategien zur Bekämpfung von Herbizidresistenzen bei Unkräutern führen.