Pflanzenschutz – Fachartikel

Dem Rübenderbrüssler auf der Spur

Ein Artikel von Ao.Univ.Prof. Dr. Elisabeth H. Koschier und DI Lena Dittmann | 16.02.2021 - 13:45
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Abb. 1: Der Rübenderbrüssler, Bothynoderes punctiventris © Weissengruber

Hat das mit dem Klimawandel zu tun? Wahrscheinlich ja: Neben starken Ausgangspopulationen der Vorjahre sind vor allem höhere Luft- und Bodentemperaturen sowie geringe Niederschlagsmengen im Frühjahr förderlich für den Aufbau großer Populationen. Der aktuelle Trend zu mehrjährigen, sehr trockenen Phasen und höheren Temperaturen macht häufigere Massenauftreten des Rübenderbrüsslers wahrscheinlicher.

Wie werden wir ihn wieder los? Daran wird mit Hochdruck gearbeitet, aber die Suche nach wirksamen alternativen Bekämpfungsmöglichkeiten ist schwierig und wirft eine Reihe von Forschungsfragen auf, welche derzeit im Rahmen eines vom Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus (BMLRT) finanzierten Forschungsprojektes untersucht werden. Diese „Untersuchungen zur chemischen Ökologie und Wirtspflanzenselektion des Rübenderbrüsslers Bothynoderes punctiventris“ starteten mit dem Auftreten der ersten Käfer im April 2020.

Käfer im Lockdown: Projektstart mit Hindernissen

Noch vor Ostern, und ausgerechnet während des strengsten Corona-Lockdowns, hat die Rübenderbrüssler-Generation 2020 ihre Überwinterungsquartiere im Boden verlassen. Entsprechender Stress prägte den Start der ersten Projektphase: die Vorgabe, dass sich möglichst wenige Personen gleichzeitig im Labor aufhalten sollen, haben gemeinsame Arbeiten nicht gerade leichtgemacht. Dank Martina Mayerhofer und ihrem Team vom ARIC (Agrana Research & Innovation Center), die etwa zehn Kilo Käfer aus Fallen im Tullnerfeld bereitstellten, waren auch mitten im Lockdown die nötigen Versuchstiere vorhanden. Ihnen wurde dann umgehend eine verlängerte Winterruhe im Laborkühlschrank verordnet. Damit war die wichtigste Voraussetzung erfüllt, um die Biotests zu entwickeln, mit denen in der ersten Projektphase die – vereinfacht ausgedrückt – Ernährungsgewohnheiten des Käfers unter kontrollierten Bedingungen im Labor untersucht werden.

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Abb. 2: Man sieht eine Rübenderbrüsslerlarve im 1. Larvenstadium im Vergleich zu einer im 4. Larvenstadium © Weissengruber

Alles Rübe – oder was?

Ganz oben auf der Speisekarte des Rübenderbrüsslers stehen die Zuckerrübe und ihre nächsten Verwandten, aber darf es sonst noch etwas sein? Die Fachliteratur beschreibt eine Reihe von Pflanzen, an denen der Rübenderbrüssler ebenfalls frisst: Zu Frühjahrsbeginn, wenn die Rüben noch nicht aufgelaufen sind, werden Wildpflanzen wie Gänsefuß-Arten (Chenopodium spp.), Melde-Arten (Atriplex spp.) und andere Beikräuter befressen (Müller, 1957; Auersch, 1961). Auch Kulturarten wie Karotten, Salat und Sonnenblume zählen nach Brendler et al. (2008) zu den Fraßpflanzen des Rübenderbrüsslers. In ersten Feldversuchen wurden einige Kulturpflanzen, darunter Spinat, Mangold und Ackerbohne, hinsichtlich ihrer Eignung als Fangpflanzen für den Rübenderbrüssler untersucht (Bindreiter, 2005).

In der EPPO Global database sind neben der Zuckerrübe auch Tabak, Kartoffel und Mais in der Liste der Wirtspflanzen von B. punctiventris zu finden, allerdings als „unklassifiziert“, als „insufficient data to make any choice“, was bedeutet, dass nicht genügend Daten existieren, um diese als Wirtspflanzen zu bestätigen. Die aktuellen Forschungsarbeiten können vielleicht zur Klärung solcher Angaben beitragen.

Im Labor wurde begonnen, systematisch die Nahrungseignung verschiedener Pflanzen zu untersuchen, wobei die vom Käfer aufgenommenen Mengen an Blattgewebe als Maßstab herangezogen wurden. Es werden dabei auch die Fraßleistungen männlicher und weiblicher Käfer während des Reifungsfraßes verglichen, also in der Phase, in der die Käfer die jungen Zuckerrübenbestände am meisten schädigen, sowie die Fraßleistungen vor und nach der Paarung.

Erste Erkenntnisse aus direkten Fraßleistungs-Vergleichen zeigen, dass Rübenderbrüssler z.B. auch Weißen Gänsefuß und Rauhaarigen Amarant fressen, wenn auch nur etwa halb so viel wie Zuckerrübe. Unkräuter aus der Familie der Knöterichgewächse, z.B. den Vogelknöterich, verschmähen sie im Biotest fast völlig, obwohl diese von Tielecke (1952) als Fraßpflanzen beschrieben wurden. Das gleiche gilt für Buchweizen, der ebenfalls ein Knöterichgewächs ist. Übrigens sind Unterschiede im Appetit zu beobachten: Käferweibchen fressen tendenziell etwas mehr als Männchen.

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Abb. 3: Käfer im Laborversuch © Koschier

Entwicklung der Käferlarven

Zur Erstellung von Prognosen über eine künftige Populationsentwicklung wäre es interessant, herauszufinden, ob und wie sich junge Käferlarven an den Wurzeln unterschiedlicher Nahrungspflanzen zu Käfern entwickeln. Bindreiter (2005) berichtet, dass im Freiland Larven des Rübenderbrüsslers auch an Wurzeln von Amaranthus-Arten fressen können. Diese Beobachtungen wurden zuvor schon von Klapal et al. (2004) in verunkrauteten Rübenbeständen gemacht. Diesbezügliche Versuche an eingetopften Pflanzen laufen aktuell und werden hoffentlich Aufschluss geben, ob und welche Unkräuter und Kulturpflanzen außerhalb der Zuckerrübenfelder zur Erhaltung der Schädlingspopulation beitragen.

Duft und Schrecken – die nächsten Projektschritte

Die zweite Phase unseres Forschungsprojekts untersucht, wie Käfer nach der Überwinterung ihre Wirtspflanzen finden, und hier speziell, ob sie von Duftbouquets der Zuckerrübe und anderer Nahrungspflanzen angelockt werden. Analysen der flüchtigen Blattinhaltsstoffe solcher Pflanzen könnten uns helfen, besonders fängige Einzelsubstanzen zu identifizieren – Substanzen, welche die Wirkung des derzeit zum Massenfang der Käfer im Frühjahr benützten Lockstoffes verstärken könnten – oder ihn vielleicht sogar übertreffen.

Der dritte Projektteil prüft statt der Anziehung die Abschreckung: Wir erforschen die Wirkung von fraßabschreckenden Pflanzenextrakten und mineralischen Substanzen, die das Auffinden junger Zuckerrübenpflanzen durch den Käfer erschweren und seine Fraßlust hemmen könnten. Solche bioaktiven Pflanzenstoffe und mineralische Stoffe gelten im Allgemeinen als umweltverträglich und unbedenklich für Nichtzielorganismen.

Erkenntnisse über ihren Einfluss auf das Verhalten des Rübenderbrüsslers könnten den Weg zur Entwicklung umweltfreundlicher, nachhaltiger und wirksamer Bekämpfungsstrategien weisen – ein Anliegen, das mit jedem warmen, trockenen Frühling dringlicher wird.

Literatur

Auersch O. (1961) Zur Kenntnis des Rübenderbrüsslers (Bothynoderes punctiventris Germ.), Teil I. Journal of Applied Entomology 49:242-264.

Bindreiter B. (2005) Untersuchungen zur Rüsselkäferproblematik bei Zuckerrübe in Österreich. Diplomarbeit, Universität für Bodenkultur Wien.

Brendler F., Holtschulte B., Rieckmann, W. (2008). Zuckerrübe. Krankheiten, Schädlinge, Unkräuter. AgroConcept GmbH, Bonn.

Klapal H., Cate P., Schlagenhaufen J. (2004) Witterung begünstigt den Rübenderbrüssler: Akute Gefahr im Rübenbau. Der Pflanzenarzt 57 (3):11-12.

Müller K.R. (1957) Der Rübenderbrüssler Bothynoderes punctiventris Germ. Flugblatt der Biologischen Zentralanstalt der Deutschen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften zu Berlin Nr. 23. Deutsche Akademie der Landwirtschaftswissenschaften, Berlin, Deutschland.

Tielecke, H. (1952) Biologie, Epidemiologie und Bekämpfung des Rübenderbrüßlers (Bothy. punctiv. Germ.). Beiträge zur Entomologie 2:256-315.

Die Autorinnen

Ao.Univ.Prof. Dr. Elisabeth H. Koschier und DI Lena Dittmann
Institut für Pflanzenschutz, Universität für Bodenkultur Wien


E-Mail: elisabeth.koschier@boku.ac.at