Pflanzenschutz – Fachartikel

Schädlinge der Zuckerrübe: Neue Lösungen gesucht

Ein Artikel von Mag. Katharina Wechselberger | 19.01.2021 - 13:40

Im Jahr 2017 wurden aufgrund des Rübenderbrüsslers (Bothynoderes punctiventris) 750 ha Zuckerrübe umgebrochen, 2018 vernichtete der schwer bekämpfbare Schädling, gemeinsam mit dem Rübenerdfloh, fast ein Viertel der Rübenanbaufläche in Österreich. Im Vorjahr nahmen die Schäden wieder deutlich ab. Da das Auftreten des Rübenderbrüsslers stark von der Witterung abhängt, sind Rückschlüsse auf den Befall in der kommenden Saison anhand der Schäden der Vorjahre kaum möglich. Geringe Niederschläge im Frühjahr und hohe Durchschnittstemperaturen begünstigen die Entwicklung des Rübenderbrüsslers. Für die Massenvermehrung des Schädlings sind vor allem Niederschlag und Temperatur der Monate April bis Juni von Bedeutung, da die Mortalität der Eier und Larven bei niedrigen Temperaturen und hoher Bodenfeuchte steigt. Gebiete mit weniger als 500 mm Jahresniederschlag sind für den Rübenderbrüssler besonders günstig. Auch der Beginn des Reifungsfraßes der Käfer vor der Eiablage wird durch niedrige Temperaturen und feuchte Böden verzögert. Weil bereits ein Anstieg der Durchschnittstemperaturen von nur einem Grad Celsius im Zeitraum April bis Mai eine merkliche Zunahme der Populationsdichte zur Folge hat, zählt dieser Schädling zu den Profiteuren des Klimawandels. Erschwerend kommt hinzu, dass der robuste Käfer gegen chemische und mechanische Maßnahmen relativ unempfindlich ist.

Neben Insektiziden werden Pheromonfallen und mechanische Maßnahmen, wie beispielsweise der Einsatz von Fallrillen, gegen den Rübenderbrüssler eingesetzt. Pheromonfallen können, neben dem Massenfang, auch zur Bestimmung des Einsatzzeitpunktes von Sprühapplikationen von Insektiziden gegen die Käfer genutzt werden. Der mögliche Einsatz von insektenpathogenen Mikroorganismen gegen den Schädling wird aktuell in Forschungsprojekten untersucht.

Auch der Rübenerdfloh (Chaeto­cnema tibialis), einer der gefährlichsten Keimschädlinge der Zuckerrübe, profitiert von trockenen und warmen Witterungsbedingungen. Bei hohen Populationsdichten können innerhalb weniger Tage große Schäden entstehen. Aber selbst bei geringem Erdflohbefall können die jungen Rübenpflanzen geschwächt und deren Empfindlichkeit kan gegen Herbizide erhöht werden. Da der Zeitraum zwischen Erstbefall und starkem Schaden ausgesprochen kurz ist, müssen, bei fehlender Saatgutausstattung mit systemisch wirkenden Insektiziden, sehr rasch Regulier­ungsmaßnahmen gesetzt werden, sobald die ersten Rübenerdflöhe oder ihre typischen Fraßspuren auf den jungen Rübenpflänzchen gesichtet werden.

Milde Winter haben Populations­zunahmen bei Blattläusen zur Folge. Bei milden Wintertemperaturen können nicht nur die unempfindlichen Wintereier überdauern, sondern auch die Blattläuse selbst. Dies führt dazu, dass bereits zu Vegetationsbeginn adulte Blattläuse zu finden sind. Die Schwarze Bohnenlaus (Aphis fabae) kann, wenn hohe Populationsdichten auftreten und trockene Witterungsbedingungen vorherrschen, die jungen Rübenpflanzen durch Saugschäden schwächen. Ein deutlich höheres Schadpotezial als die Schwarze Bohnenlaus weist jedoch die Grüne Pfirsichblattlaus (Myzus persicae) auf, welche in der Zuckerrübe als Vektor für die Übertragung von Viruskrankheiten bedeutsam ist.

Viruserkrankungen beachten

Neben dem generellen Auftreten von Viren ist der Zeitpunkt des Erstbefalls der Kultur durch die Krankheitsüberträger entscheidend. Je früher ein Rübenpflänzchen mit Viren infiziert wird, desto eher führt das Virus zu Ertrags­einbußen. Trockenheit verstärkt den Schaddruck zusätzlich. Bei Zucker­rüben ist vor allem das Milde Rübenvergilbungsvirus (BMYV) und das ­Nekrotische Rübenvergilbungsvirus (BYV) von wirtschaftlicher Bedeutung. Zur Relevanz der Blattläuse und Viruskrankheiten in Zuckerrüben gibt es für Österreich wenig Erfahrung, da bisher der Befallsdruck durch die Saatgut­ausstattung mit Neonicotinoiden niedrig war.

Während in Jahren mit warm-trockenen Bedingungen neben dem Rübenderbrüssler und dem Rübenerdfloh auch der Mossknopfkäfer (Atomaria linearis) und die Rübenmotte (Ilseopsis ocellatella) stärker auftreten können, treten andere Schädlinge, wie beispielsweise der Rübenaaskäfer (Blitophaga opaca und B. undata), vor allem in niederschlagsreicheren Gebieten bzw. Jahren auf.

Schädlingsregulierung vor Einführung der Neonicotinoide

Bevor im Jahr 1991 das erste Neonicotinoid am Markt zugelassen wurde, erfolgte die Regulierung der oben genannten Schaderreger in der Zuckerrübe mit einer Kombination aus Saatgutbehandlung, Granulatausbringung sowie Boden- und Blattapplikation von Insektiziden mit Carbofuran, Lindan, Aldicarb und Parathion. Die genannten Wirkstoffe sind inzwischen in der EU nicht mehr genehmigt. Die deutlich bessere Wirksamkeit der Neonicotinoide gegen Auflauf- und Blattschädlinge im Vergleich zu den zuvor genannten Wirk­stoffen sowie der geringere Mengen- und Arbeitsaufwand bei der Anwendung von Neonicotinoiden hatte zu deren starken Verbreitung in der landwirtschaftlichen Praxis geführt. Aufgrund der Risiken für Bienen sind die Neonicotinoide jedoch immer stärker in Kritik geraten. Als Folge verloren die Wirkstoffe Imidacloprid, Thiametoxam und Clothianidin im Jahr 2018 die reguläre Zulassung für die Anwendung im Freiland. Die Zunahme von Hitzejahren und der Wegfall der Neonicotinoide erfordern nun eine rasche Entwicklung von neuen Lösungsansätzen. Nach wirksamen Alternativen zur Regulierung schädlicher Arthropoden wird gesucht und neue Maßnahmen werden geprüft, eine einfache und rasche Lösung gibt es einstweilen allerdings nicht. Das Bundesamt für Ernährungssicherheit erteilte für den Zuckerrübenanbau 2020 die Notfallzulassung für den Wirkstoff Clothianidin zur Saatgutbeizung in den Bundesländern Nieder­österreich, Oberösterreich und der Steiermark. Nach dem Umbruch der Zuckerrüben sind ab heuer auch Mais, Getreide und Rispenhirse als Nachfolgekulturen zulässig.

Neue Lösungsansätze gesucht

Zu den wichtigsten Lösungsansätzen zählt die Erweiterung des bereits bestehenden Warndienstes um Blattläuse, Erdflöhe und Rübenderbrüssler, basierend auf bestehenden Systemen der ­Informationsweitergabe. Der Aufbau ­eines Warndienstes für ausgewählte Rübenschädlinge ist eines der Hauptziele des Forschungsprojektes „Aufbau von Erhebungs- und Regulierungsprogrammen zu ausgewählten tierischen Schädlingen im Zuckerrübenanbau in Österreich“ unter der Leitung der LK Niederösterreich (LE 14–20). Weitere Ziele des Projektes sind u.a. die Anpassung von Begrünungsmischungen an die Anforderungen des Rübenanbaues und die Erhebung des Schaddrucks durch Insekten und Viren. Im Jahr 2019 führte die AGES innerhalb des Projektes gemeinsam mit den am Projekt mitwirkenden Landwirten ein Blattlaus- und Virenmonitoring durch. Dabei wurden an insgesamt neun Standorten in Ober- und Niederösterreich über einen Zeitraum von elf  Wochen Blattläuse gesammelt (s. Abb. 7), an der AGES morphologisch bestimmt und stichprobenartig mittels molekular­biologischer Methoden auf Viren untersucht. Von insgesamt 47 untersuchten Blattläusen trugen nur drei Individuen einen für die Zuckerrübe relevanten ­Virus in sich. In zwei Individuen der Schwarzen Bohnenlaus (Saxen) wurde BYV (Beet yellow virus) nachgewiesen, ein Individuum der Grünen Pfirsichblattlaus (Saxen) war positiv für Poleroviren – dieser wurde als Turnip yellows virus (TuYV) identifiziert. Im Untersuchungsgebiet war der Druck durch Viren in der Zuckerrübe im Jahr 2019 damit relativ gering. Die ­Untersuchung wird 2020 weitergeführt.

Beizmittelversuch

Im Projekt führt die AGES außerdem einen Beizmittelversuch zur Untersuchung des Einflusses der Saatgut­behandlung auf den Schaddruck durch Krankheiten und Schädlinge durch. Für die Behandlungsversuche wurde die Sorte ‚Vandana KWS‘ in den drei Beizvarianten Bio, Force 20 CS und Cruiser 600 FS + Force 20 CS mit je vier Wiederholungen als Parzellenversuch angebaut. Der Versuch wurde 2019 auf den Standorten Fuchsenbigl (Haringsee), Franzensdorf (Groß-Enzersdorf), Stronsdorf (Mistelbach), und Trübensee (Tulln) angebaut. An mehreren Terminen erfolgte eine Bonitur der Pflanzen auf Fraßschäden von Rübenerdfloh und Rübenderbrüssler. Am Standort Trübensee war der Versuch bereits am 23. April vom Derbrüssler kahlgefressen und wurde am 21. Mai nach der Abwanderung der Rüsselkäfer neu angebaut. Sowohl in Fuchsenbigl als auch in Stronsdorf wiesen beinahe alle Zuckerrübenpflanzen ab Mitte Mai Fraßspuren des Rübenderbrüsslers auf, jedoch blieb ausreichend Blattmasse übrig um ein weiteres Wachstum der Pflanzen zu ermöglichen. Am Standort Franzensdorf war der durch Rübenerdflöhe verursachte Schaddruck sehr gering, jedoch war der Fraßdruck des Rübenderbrüsslers relativ hoch. In Stronsdorf verzögerte sich der Feldaufgang im Frühjahr durch Trockenheit. Auf diesem Standort wurde der Schaddruck vor allem durch den Rüben­erdfloh verursacht. Die Unterschiede hinsichtlich der Erträge zwischen den Beizmittelvarianten waren nur am Standort Stronsdorf statistisch signifikant. Der durch Trockenheit verzögerte Aufgang könnte die Auswirkungen der Schädlinge auf den Ertrag verstärkt haben. In Franzensdorf waren einige Parzellen der Bio-Variante durch den Rübenderbrüssler stark in Mitleidenschaft gezogen worden, jedoch waren die Unterschiede zwischen den Wiederholungen sehr hoch. Bei den Standorten Fuchsenbigl (geringer Schaddruck) und Trübensee (Nachbau im Mai) gab es kaum Unterschiede hinsichtlich des Ertrags zwischen den Behandlungsvarianten. Der Versuch wird im Jahr 2020 weitergeführt.

Fazit

Das Auftreten von Schädlingen hängt von den Witterungsbedingungen des aktuellen, aber auch des Vorjahres ab. Auch der Schaddruck an sich wird durch Witterungsbedingungen beeinflusst. Der Einfluss der Saatgutausstattung auf die Erträge zeichnet sich vor allem bei ungünstigen Witterungs­bedingungen ab, beispielsweise bei Trockenheit zum Zeitpunkt des Feldaufgangs. Zum Auftreten von Blattläusen und Viruskrankheiten in der Zuckerrübe gibt es für Österreich nur wenig Informationen. Trotz hohem Blattlausaufkommen im Jahr 2019 war die Abundanz von Viren relativ gering. Im Jahr 2020 wird das Auftreten von Viren erneut überprüft. Am Ausbau des Warndienstes für die Zuckerrübe wird gearbeitet. ■

Die Autorin

Mag. Katharina Wechselberger, AGES Wien