Pflanzenschutz – Fachartikel

Der Japankäfer ist auf dem Weg nach Mitteleuropa

Ein Artikel von Dr. Giselher Grabenweger | 19.01.2021 - 14:05

Und wieder ist ein neuer Quarantäneschädling auf dem Vormarsch. Wie schon der Name sagt, stammt der sogenannte „Japan­käfer“ (Popillia japonica) aus Japan, und ist in seiner angestammten Heimat, ganz im Osten Asiens, keinesfalls ein auffallender Schädling. Warum das so ist, ist nicht gänzlich geklärt, aber ausreichend vorhandene natürliche Gegenspieler dürften wohl eine Rolle spielen. Ganz anders verhält es sich in Nordamerika, wo der Japankäfer bereits Anfang des 20. Jahrhunderts eingeschleppt wurde. In den USA und in Kanada breitet sich der ­Japankäfer nach wie vor zügig weiter aus, und seine Fresslust verursacht dort Schäden in der Höhe von dreistelligen Millionenbeträgen.

Vom restlichen Europa weitgehend unbeachtet schaffte es der Japankäfer bereits in den 1970er Jahren auf die Azoren, und ist somit zumindest geopolitisch gesehen, lange vor der Kastanienminiermotte, dem Maiswurzelbohrer oder der Kirschessigfliege, seit rund 50 Jahren in Europa präsent. Dramatische Ausmaße hat diese Invasion jedoch erst im Jahr 2014 angenommen, als Italien den ersten Ausbruch mit massiven Schäden meldete. Nach geradezu explosionsartigem Populationswachstum waren in der Lombardei und im Piemont ganze Weinberge kahlgefressen, und Obstkulturen sowie auch Mais- und Soja­felder massiv befallen. Die nach den Quarantänebestimmungen der EU ausgewiesene Befallszone in dieser Region liegt im Umkreis des Internationalen Mailänder Flughafens Malpensa, was den Verdacht nahelegt, dass der Käfer via Luftfracht Festlandeuropa erreicht hat.

Vier Jahre später stellte der Schweizer Pflanzenschutzdienst erste Käfer in vorsorglich aufgestellten Monitoring-Fallen an der südlichen Landesgrenze (Kanton Tessin) fest. Auch hier ging die Vermehrung der Käferpopulation rasant voran. Waren es im Jahr 2017 noch zwei Dutzend Käfer in einer einzigen Falle, so wurden 2019 bereits 780 Käfer an fünf verschiedenen Standorten gefangen, und überdies auch Tiere außerhalb von Monitoring-Fallen in der Natur beobachtet.

Die Situation im italienischen Befallsgebiet und an der südlichen Schweizer Landesgrenze deutet darauf hin, dass die Ausbreitung des Japankäfers in Europa gerade erst begonnen hat. Diese Befürchtung wird auch von Studien genährt, die sich mit den natürlichen Grenzen der Ausbreitung des Japan­käfers befasst haben. Legt man den Modellen die klimatischen Faktoren zugrunde, die eine Entwicklung des Japankäfers ermöglichen, so kann damit eine theoretische Ausbreitung des Schädlings in Europa bis nach England und Südskandinavien prognostiziert werden.

Mehr als 300 Pflanzenarten sind betroffen

Und noch ein weiterer Faktor begünstigt die rasche Ausbreitung des Japan­käfers. Die Art ist ausgesprochen polyphag, kann sich also von einer Vielzahl von Wirtspflanzen ernähren. Für die erwachsenen Käfer sind mehr als 300 verschiedene Arten als Nahrungspflanzen bekannt. Mit dabei sind bedeutende Kulturpflanzen wie Wein­reben, Obstbäume und Beerenobst, Zierpflanzen wie Rosen, aber auch Mais, von dem sie den Maisbart besonders schätzen, oder Soja. Daneben werden auch die Blätter vieler Waldbäume nicht verschmäht, wie von Eichen, Buchen, Ahorn, Linden oder Haselnusssträuchern. Die Fraßschäden an Blättern und Früchten dieser Pflanzen sind zudem nur die gut sichtbare „Spitze des Eisbergs“, denn nicht nur die Käfer, sondern auch seine Larven richten Schäden an.

Die Engerlinge dieses Käfers aus der Maikäferverwandtschaft ernähren sich ähnlich wie die heimischen Engerlinge der Mai-, Juni- oder Gartenlaubkäfer von Wurzeln. Bevorzugt werden Graswurzeln in Wiesen und Weiden, aber es wurden auch schon Japankäfer-Engerlinge an Wurzeln von Mais, Erdbeeren, Soja oder Tomaten festgestellt. Nach derzeitigem Wissensstand werden also weder das Klima noch fehlende Wirtspflanzen die Ausbreitung des Japan­käfers verhindern, und die europäischen Landwirte müssen sich in den nächsten Jahren auf ein bis dato unbekanntes Problem in vielen verschiedenen Kulturen gefasst machen.

Nachhaltige Bekämpfung nur „bio“

Derzeit werden in Italien, wie auch in Nordamerika, zur Verhinderung von großen Schäden an Kulturpflanzen vor allem synthetische Insektizide eingesetzt. Je nach Kultur sind wegen der langen Flugphase der Japankäfer (etwa von Ende Mai bis Mitte August) mehrere Behandlungen notwendig, die aber derzeit durchwegs eine gute Wirkung gegen die erwachsenen Käfer zeigen.

Nachhaltig sind diese Pflanzenschutzmaßnahmen jedoch keineswegs, aus einem einfachen Grund: Befallsherde in landwirtschaftlichen Kulturen sind vergleichsweise einfach zu entdecken und mit herkömmlichen Insektiziden und Geräten wirksam zu bekämpfen. Diese punktuellen Maßnahmen treffen jedoch zumeist nur einen kleinen Teil einer ­Käferpopulation.

Die Larvenstadien, welche sich verborgen im Untergrund von Wiesenflächen entwickeln, werden meist gar nicht entdeckt. Zudem können viele Befallsherde, z.B. in Weideflächen, an Wald­rändern, in der Umgebung von Fließ­gewässern oder in Privatgärten, auch wenn sie entdeckt würden, gar nicht behandelt werden, weil ein Pflanzenschutzmitteleinsatz nicht praktikabel oder aus Umweltschutzgründen nicht zugelassen ist. Der Invasion des Japankäfers kann daher nur mit einer inte­grierten Pflanzenschutzstrategie entgegengetreten werden, die sich in erster Linie auf umweltfreundliche Bekämpfungsmethoden und natürliche Gegenspieler der Käfer stützt.

Viele natürliche Feinde

Die Situation ist jedoch keineswegs aussichtslos. Forschungsergebnisse aus den USA belegen, dass der Japankäfer eine Vielzahl natürlicher Feinde hat. Dazu gehören Bakterien genauso wie verschiedene entomopathogene Pilze oder entomoparasitische Nematoden. Auch Schlupfwespen- und Raupenfliegenarten machen den Japankäfern das Leben schwer. Auch in Italien wurden bereits biologische Verfahren erfolgreich getestet, z.B. Behandlungen mit Nematoden (verschiedene Stämme aus den Gattungen Steinernema und Heterorhabditis).

An der Schweizerischen landwirtschaftlichen Forschungsanstalt Agro­scope werden entomopathogene Pilze zur Bekämpfung von Japankäfern erforscht. Diese Pilze (verschiedene Stämme der Gattungen Metarhizium und Beauveria) werden bereits seit Jahrzehnten erfolgreich gegen Mai-, Juni- und Gartenlaubkäfer eingesetzt. Da der Japankäfer mit den heimischen Mai­käferartigen verwandt ist, und seine Biologie vor allem mit der letztgenannten Art durchaus vergleichbar ist, liegt der Schluß nahe, dass diese Bekämpfungsmethode auch gegen den Japankäfer wirken könnte. Wie anfällig Japankäfer auf europäische Pilzstämme sind, wurde im Quarantänelabor der Agroscope in Zürich bereits getestet. Dabei zeigte sich, dass die erwachsenen Käfer höchst anfällig auf mehrere verschiedene Stämme reagierten, während die Engerlinge wesentlich widerstandsfähiger waren. Sich entwickeln und Sporen bilden konnten die Pilze jedoch auf allen getesteten Stadien des Japankäfers, weshalb ein Einsatz sowohl oberirdisch gegen die Käfer als auch unterirdisch gegen die Engerlinge in Frage kommt.

Europäische Projektinitiative

Mittlerweile ist der Japankäfer in die Liste der prioritären Quarantäneschadorganismen aufgenommen worden, und es besteht eine gesetzliche Pflicht zur Meldung von Käfersichtungen sowie zur Bekämpfung von Befallsherden. Dass die weitere Ausbreitung des invasiven Schädlings zumindest gebremst werden kann, ist beim Japan­käfer durchaus noch aussichtsreich. Anders als bei so manchem seiner Kollegen auf der Quarantäneliste beschränkt sich das Ausbreitungsgebiet des Japankäfers in Festlandeuropa bisher auf eine einzige – wenn auch schnell größer werdende – Befallszone. Konzentrierte Anstrengungen zur Reduktion des Populationswachstums in dieser Zone, sowie Methoden zur schnellen Detektion und Bekämpfung neuer Befallsherde können in dieser Situation noch erfolgreich sein.

Genau zu diesem Zweck nimmt ein europäisches Konsortium aus verschiedenen wissenschaftlichen Institutionen, Pflanzengesundheitsdiensten, landwirtschaftlichen Genossenschaften und Firmen unter der Leitung von Agroscope in den nächsten Monaten, sobald eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit wieder möglich ist, seine Arbeit auf. In dem Horizon2020 Projekt „IPM-Popillia“ werden verschiedene biologische und biotechnische Bekämpfungsmaßnahmen entwickelt und in einer integrierten Bekämpfungsstrategie miteinander kombiniert. Diese Strategie soll in der Befallszone in Norditalien bereits in den nächsten vier Jahren eingesetzt werden und zu einer Reduktion des Populationswachstums des Japankäfers führen. Eine geringere Populationsdichte im Befallsgebiet soll nicht nur die landwirtschaftlichen Kulturen vor Ort schützen, sondern auch den Ausbreitungsdruck in benachbarte Regionen reduzieren. Auch beim Monitoring will das Projektteam neue Wege gehen und beispielsweise mit einer „Citizen Science App“ und mit automatisierten Monitoring-Fallen schneller und effizienter als bisher neuen Befallsherden auf die Spur kommen. Um die Projektziele zu erreichen, setzt das internationale Konsortium aus 13 verschiedenen Institutionen und sechs verschiedenen Ländern auch auf das Know-how österreichischer Unternehmen. ■

Der Autor

Von Dr. Giselher Grabenweger, Agroscope, Schweiz