Die Forderung nach einem Verbot des zur Unkrautbekämpfung eingesetzten Wirkstoffs Glyphosat stand im Mittelpunkt eines Hearings mit Experten im Landwirtschaftsausschuss des Nationalrats am vergangenen Freitag. Ausgangspunkt der Diskussion war das Volksbegehren „Glyphosat verbieten. Nach Ansicht der 121.734 Unterstützenden soll ein ausnahmsloses Glyphosatverbot sofort umgesetzt werden. Es gehöre nicht nur aus der heimischen Nahrungsmittelproduktion, sondern auch aus importierten Lebensmitteln restlos verbannt.
Den Abgeordneten standen als Experten der Biochemiker und Experte für Pestizide und Chemie der Umweltschutzorganisation Global 2000 Helmut Burtscher-Schaden, der Landwirt Hans Gnauer sowie der ehemalige fachliche Geschäftsführer der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) sowie einstige Direktor des Bundesamts für Ernährungssicherheit Thomas Kickinger zur Verfügung. Sie legten ihre Meinung zu den Vorteilen und zu den Nachteilen des Wirkstoffs dar. Burtscher-Schaden sprach sich für ein Verbot von Glyphosat aus. Gnauer berichtete aus seiner Praxis über den Vorteil des Glyphosateinsatzes im Ackerbau. Kickinger wiederum erläuterte seine Einblicke in das Zulassungsverfahren von Glyphosat. Die ebenfalls nominierte Umwelt- und Klimaexpertin der Arbeiterkammer Wien Iris Strutzmann war verhindert.
Ein im Zuge der Debatte von den Grünen eingebrachter Entschließungsantrag fand keine Zustimmung bei den anderen Fraktionen. Sie forderten, dass die Wirkstoffe Glyphosat sowie Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) verboten werden. Ebenso sollen Pestizide, die diese Wirkstoffe enthalten, die Zulassung entzogen werden. PFAS-Substanzen seien nicht abbaubar und dementsprechend in der Umwelt angereichert, argumentierten die Grünen.
In der anschließenden Aussprache äußerte sich auch Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig zu dem Anliegen des Volksbegehrens. Österreich habe im EU-Landwirtschaftsrat aufgrund eines Auftrags des Parlaments gegen eine Verlängerung der Zulassung von Glyphosat gestimmt, sei aber überstimmt worden, erklärte er. Ein Alleingang im Hinblick auf ein Totalverbot ist aus seiner Sicht nicht möglich, in Österreich würden aber weitest mögliche Einschränkungen gelten. Das Totalverbot in Luxemburg ist ihm zufolge inzwischen vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben worden.
Gnauer für bodenschonende Feldbearbeitung
Angesichts des Klimawandels müssen die Böden und Erträge nachhaltig gesichert werden, erklärte der Landwirt und nach eigenen Angaben auch „Anwender“ von Glyphosat Hans Gnauer. Dazu müsse der Boden als Puffersystem im Klimawandel angepasst werden. Es brauche hier unter anderem gute Fruchtfolgen, die Förderung des Bodenlebens, eine bodenschonende Bearbeitung und eine ausgewogene Düngung. Um einen solchen Bodenaufbau zu schaffen, sei Glyphosat ein Werkzeug dazu. Dieses setze er effizient, gezielt und am Punkt ein. Das Ergebnis sei, dass mehr CO2 in den Böden als Humus gespeichert werden kann. Dies bedeute mehr Wasserspeichervermögen und in Folge eine Stabilisierung der Erträge. Bodenbearbeitung würde das Bodenleben stärker beeinträchtigen als Dünger und Chemie, plädierte Gnauer für Direktsaat. Durch den Einsatz von Glyphosat sei zudem weniger Toxizität auf den Feldern möglich, zitierte er ein Studienergebnis.
Beim Projekt „Bodenpioniere“ seien fortgeschrittene mit herkömmlichen Wirtschaftsweisen verglichen worden, erklärte er auf die Nachfrage von Klaus Lindinger (ÖVP). Durch die andere Art der Bewirtschaftung sei es möglich, dass die Bodenstruktur und -fruchtbarkeit verbessert, die Wasserspeicherkapazität erhöht und dadurch auch Starkregenereignisse stark abgepuffert werden.
Auch wenn Glyphosat verboten wird, würde man es nicht los werden, meinte der Experte zu Klaus Mair (ÖVP). Auch durch Prozesse in Kläranlagen werde Glyphosat produziert. Grund dafür seien wasserenthärtende Stoffe beim Wäschewaschen.
Glyphosat dürfe zur Kulturvorbereitung und bis fünf Tage nach der Saat eingesetzt werden, antwortete Gnauer zu der Frage von Elisabeth Feichtinger (SPÖ) nach den Einsatzarten in Österreich. Das Produkt selbst komme aber nie in Kontakt mit dem Wirkstoff, betonte er. Nach der Abtötung des Unkrauts durch Glyphosat würden in seiner Bewirtschaftungsweise die Kulturen ohne Bodenbearbeitung eingesät. Dies sei wichtig, da alle Eingriffe in die Böden das Bodenleben zerstören würden. Die Habitate der Bodenlebewesen seien wichtig, da sie als Infiltrationsräume für Wasser dienten. Dadurch würde Erosion verhindert, die massive Auswirkungen auf die Erträge habe. Die Böden und deren Ertragskraft müssen für künftige Generationen gesichert werden, forderte Gnauer.
Kickinger: EU-Zulassungsverfahren sinnvoll wegen Komplexität
Thomas Kickinger hob in seinem Statement die Bedeutung EU-weiter Zulassungsverfahren hervor und ging auf das umfassende Zulassungsverfahren für Glyphosat ein. Die Verfahren seien grundsätzlich sehr transparent, würden wissenschaftsbasiert erfolgen und die Mitgliedsstaaten seien einbezogen. Die Risikobewertung von Glyphosat sei sehr umfassend gewesen. Rund 100 Expert:innen hätten bei dessen 32-monatigen Zulassungsverfahren mitgearbeitet und über 2.000 Studien seien eingeflossen. Diese seien zum Ergebnis gekommen, dass „keine kritischen Problembereiche von Glyphosat betreffend Gesundheit von Mensch und Tier sowie der Umwelt festgestellt wurden“. Auf dieser Basis sei Glyphosat und in Folge auch die einzelnen Pflanzenschutzmittel in den einzelnen Mitgliedsstaaten zugelassen worden, erklärte Kickinger gegenüber Karin Doppelbauer (NEOS).
Das System der Zulassungsverfahren in der EU funktioniere gut und sei sehr umfassend. Solch aufwendige Verfahren seien nur sehr schwer durch einzelne Mitgliedsstaaten durchführbar, meinte der Experte zu der Frage von Christoph Steiner (FPÖ) über mögliche Folgen eines österreichischen Alleingangs.
Auf die Frage nach Alternativprodukten zu Glyphosat, meinte Kickinger zu Albert Royer (FPÖ), Manuel Pfeifer (FPÖ), Klaus Lindinger (ÖVP) und Heinrich Himmer (SPÖ), dass ihm keine entsprechenden Produkte bekannt seien. Zudem beantwortete der Experte Nachfragen von Bernhard Höfler (SPÖ) zum Ablauf der Zulassungsverfahren.
Debatte der Fraktionen
Es gelte, die Bedenken der 122.000 Unterstützende ernst zu nehmen, erklärte Klaus Lindinger (ÖVP). Die Diskussion müsse auf der Basis wissenschaftlicher Fakten erfolgen. Glyphosat werde nur dann eingesetzt, wenn es unbedingt notwendig sei, betonte er. Es werde daher in der konventionellen Landwirtschaft in großen Teilen kein Glyphosat eingesetzt. Zudem kritisierte er das Hinterfragen der Objektivität der EFSA durch den Experten Burtscher-Schaden. Glyphosat hemme das Wachstum von Pflanzen und es gebe derzeit keinen alternativen Wirkstoff. Insgesamt müsse der Pflanzenschutz im Sinne der Ernährungssicherheit sichergestellt werden, forderte Lindinger.